Epigenetik – der Einfluss von Generationenschmerz auf unsere Beziehungen

Close up of male hand holding DNA molecule in palm

 

Dass Emotionen eine bedeutende Rolle bei der Gestaltung unserer Erfahrungen und unserer Realität spielen, ist mittlerweile eine anerkannte Tatsache. Aber wie weit dieser Einfluss tatsächlich geht, darüber besteht nach wie vor Uneinigkeit. Bis zu einem gewissen Grad sind wir gerne bereit zu glauben, dass wir unseren Absichten, wenn sie mit starken Emotionen und echter Leidenschaft unterfüttert sind, Schubkraft verleihen, die über jeden Zweifel erhaben sind und uns zweifelsohne den Erfolg und die Resultate bescheren, die wir anvisiert haben. Ganz anders verhält es sich aber mit dem Großteil der Realität, den wir nicht bewusst gestaltet haben, sondern, den wir „einfach so erleben“, als hätten wir mit deren Erschaffung nichts zu tun. Aber ist das wirklich so? Erschaffen wir tatsächlich nur einen winzig kleinen Bruchteil unserer eigenen Realität, oder fehlt es uns einfach noch an dem nötigen Verständnis, der nötigen Nachvollziehbarkeit, um auch für den weitaus größeren Teil unserer Realität und emotionalen Erfahrung die Verantwortung und Schöpferkraft anzunehmen?

Alles oder Nichts

Die Bereitschaft bestehende Zusammenhänge zwischen dem, was wir im Außen als Realität erleben und unserem emotionalen kreativen Potenzial anzuerkennen, steht und fällt für die meisten von uns mit der mentalen Nachvollziehbarkeit, genauer gesagt, mit der Möglichkeit direkte Resultate feststellen, d.h. einen bestehenden Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bewusst machen, plausibel erklären, messen und überprüfen zu können. (Ein Lesegerät, welches emotionale Kodierungen im eigenen Energiesystem ablichtet und Rückmeldung über die Programmierungen und elektromagnetische Ladung gibt, würde uns wahrscheinlich zu einem anderen Schluß kommen lassen…!)

Dinge, die sich mittels eines mechanischen Verständnisses nicht überprüfen lassen, so wird geschlussfolgert, haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Oder doch? Genauso wie Frequenzen, angefangen von Radiofunk, Microwellen, über Bluetooth, Ultraschall und WLAN in der Lage sind jenseits von sinnlicher Wahrnehmbarkeit Netzwerke zu bilden, Informationen zu übermitteln und physische Realitäten in der Welt zu erzeugen, sollte es uns doch mindestens genauso, wenn nicht eigentlich wesentlich plausibler erscheinen, dass wir als Menschen zu mehr kreativen und weitaus kraftvollerem Schöpfertum in der Lage sind als so manche Funkfrequenz und elektromagnetische Welle. Gibt es also etwas, was wir einfach noch nicht wirklich verstanden haben und was sich uns bislang vielleicht einfach nicht erschließt?

Wünsche, die in Erfüllung gehen, visualisierte Ziele, die erreicht werden und eine Steigerung des Wohlbefindens sind die kleinen Wunder, die der logische Verstand gerade noch als Effekte von menschlicher und ureigener Selbstwirksamkeit zu akzeptieren bereit ist und mental zu verarbeiten vermag. Alles, was über dieses Maß hinausgeht, überfordert die meisten von uns in unserer derzeitigen Weltanschauung und in unserem bisherigen Selbstverständnis. Besonders dann, wenn wir uns wieder einmal inmitten einer Erfahrung befinden, die wir uns so ganz bestimmt nicht bewusst – und bei normalem Menschenverstand! – ausgesucht hätten…!

 

Wir sind am Limit – der Grenzbereich bahnbrechender Erkenntnisse

Die Frage, mit der wir uns früher oder später alle unausweichlich konfrontiert sehen, ist:

Wie viel Einfluss kann ich tatsächlich auf meine eigene Realität nehmen?

Bin ich wirklich ausnahmslos, zu 100 % Schöpfer all meiner Erfahrungen, oder bin ich ohnmächtig dem Lauf der Dinge ausgeliefert? Welcher Zusammenhang besteht wirklich zwischen dem, was ich an äußerer Realität erlebe und dem, was ich erwarte, denke, fühle und sage?

Das Interesse den Dingen diesbezüglich auf den Grund zu gehen wird zunehmend populärer, insbesondere in der Wissenschaft. Die Neugierde ist geweckt zu ergründen, ob nicht nur absichtsvolle Emotionen Resultate in der äußeren Realität erzeugen, sondern ob auch der Umkehrschluss gilt, nämlich dass die äußere Realität uns Rückmeldung darüber gibt, was wir von ihr verstandesgemäß und emotional erwarten, bzw. gewohnt sind. Quantenphysiker (für Details siehe „Two slit experiment“) gehen davon aus, dass das (Gesamt-)Bewusstsein des Betrachters, mitsamt allen unbewussten Erwartungshaltungen, den Zustand und das Verhalten von Materie bestimmt. Es besteht eine unmittelbare Verbindung, sowie Wechselwirkung zwischen Materie und dem Bewusstsein des Betrachters, welche nicht getrennt und unabhängig voneinander untersucht werden kann.

 

Materie folgt dem Bewusstsein

Die Betrachtungsweise, dass unsere äußeren Verhältnisse und Beziehungen aufschlussreiche Informationen für uns bereithalten und uns Rückmeldung geben, welche emotionalen Grundvoraussetzungen und Erwartungshaltungen in unserem Bewusstsein vorherrschen, ist für viele von uns nichts Neues. So durchleben wir Reinszenierungen bestimmter Verletzungen aus der Kindheit, welche sich so lange wie ein roter Faden durch unser Leben ziehen, bis sie endgültig heilen dürfen. Ähnliches gilt für Ungeheiltes auf der Seelenebene, dessen Ursprung nicht direkt, wohl aber indirekt den Bereich unserer persönlichen Lebenserfahrung betrifft. Denn es bilden sich in unserer Realität auch die angstbasierten Prägungen ab, die in dem ungeheilten Schmerz vorangegangener Generationen (Generationenschmerz) begründet sind und die emotional weiterwirken. Das Systembewusstsein verliert nichts und wir haben oft weitaus mehr emotionale Altlasten zu verwalten als uns bewusst ist.

Meist sind wir, wenn es sich um das Aufdecken von Generationenschmerz handelt, erst an den äußeren Umständen, in Form einer schweren Krise, welche sich mitunter zum wiederholten Male in ähnlicher Form zugetragen hat, wach geworden für etwas, für das wir keine direkte Erklärung im Sinne von Ursache und Wirkung in unserer Biografie zu finden vermochten und um unserer selbst willen dennoch dringend eine Lösung finden wollten.

Die äußeren Umstände haben sich uns dann als dienlich erwiesen, wach zu werden und den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie machen uns darauf aufmerksam, dass Schmerzen gelöst und geheilt werden möchten, welche ihren Ursprung nicht unmittelbar in unserer eigenen Biografie hatten, sondern in emotionalen Voraussetzungen, über die wir im Systembewusstsein mit unserer Herkunftsfamilie verbunden waren. Auch hier gilt, dass die Realität schlicht und ergreifend den vorgegebenen emotionalen Prägungen folgt, die im Bewusstseinsträger, also der Person, durch Vererbung und Konditionierung veranlagt wurden.

Einzelne Facetten unserer Realität als Spiegel unserer Bewusstseinsseele anzuerkennen, dazu sind wir mehr und mehr bereit. Unsere äußere Realität jedoch insgesamt und zu jeder Zeit als unser eigenes „Machwerk“ anzuerkennen, davon sind wir, ganz besonders wenn das Terrain ungemütlich wird, jedoch (immer noch) einen gewaltigen Schritt entfernt.

Um unser Verständnis dahingehend weiter zu vertiefen, welche Wechselwirkungen zwischen Voraussetzungen, die wir in uns tragen und dem Erleben äußerer Umstände besteht, ist es hilfreich sich die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor Augen zu führen:

 

Der Schritt in die nächste Dimension

Die naturwissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass, wenn wir verändern wie wir uns in Bezug auf das, was uns in der Vergangenheit widerfahren ist, fühlen, wir die Chemie unserer Körper in der Gegenwart verändern können. In einem Universum lebend, in dem die Art und Weise wie wir uns in Bezug auf uns selbst fühlen durch die Welt die uns umgibt widergespiegelt wird, wird es für uns wichtiger denn je zu bemerken, was uns unsere Beziehungen mitteilen und zu erlernen die Botschaften der Göttlichen Matrix zu lesen.“

Gregg Braden, The Divine Matrix

Ich stimme mit Gregg Braden vollkommen darin überein, dass das Erfolgskonzept einer neuen Generation darin besteht emotionale Klärung und Selbstbestimmung zu kultivieren. Für entscheidend halte ich allerdings bei der näheren Betrachtung dessen, wie wir uns zur Vergangenheit und zu unseren Mitmenschen in Bezug setzen, genauer zu differenzieren:

Bei den prägenden Ereignissen und in Verbindung stehenden Emotionen, welche wir verinnerlicht haben und welche dadurch unmittelbar unser Realitätserleben beeinflussen, handelt es sich nicht nur um Reaktionen darauf, was uns selbst persönlich in der Vergangenheit widerfahren ist. Weitaus kraftvoller wirken mitunter die Erfahrungen in uns nach, die wir auf emotionaler Ebene in Form von Generationenschmerz übernommen, bzw. vererbt und überantwortet bekommen haben. Wir sind mit dem emotionalen Erleben und Erbe in Form des Leides unserer Mitmenschen, insbesondere dem unserer Vorfahren, weitaus tiefer verbunden, als uns dies für gewöhnlich bewusst ist.

Das persönliche Erleben, sowie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen diesbezüglich eine klare Sprache:Von Angst und Schmerz geprägte emotionale Erfahrungen der Vorfahren prägen auch das Verhalten, die emotionalen Reaktionen und die Physiognomie der Nachkommenschaft. Wenn wir dies bei unserem Bemühen, die äußere Realität und unser Potenzial zu entschlüsseln berücksichtigen, können wir nicht nur erstaunliche Entdeckungen machen und bahnbrechende Erkenntnisse gewinnen, sondern wir können einfache, lösende Schritte unternehmen eine Klärung, grundlegende Neuordnung und Verbesserung aller unserer Verhältnisse und Beziehungen bewirken.

 

Ein Exkurs in die Wissenschaft der Epigenetik

Einer der Belege den die Wissenschaft dafür geliefert hat, dass Emotionen weitergeleitet und vererbt werden, stammt aus einer Studie, welche im September 2013 veröffentlicht wurde:

Forscher an der Emory Universität in Atlanta, Georgia haben zu dem Thema ob Ängste vererbbar sind und inwieweit sie sich jeweils in physiologischen Merkmalen manifestieren geforscht. Das Ergebnis des Experimentes stellt eine Vererbung von Angstverhalten zumindest im Tierreich – in diesem Fall bei Mäusen – klar unter Beweis. Den Forschungsergebnissen zu Folge setzt sich Angst nicht nur im Gedächtnis fest, sondern auch in den Genen. Und das nicht nur bei derjenigen Maus, die durch gezielte Konditionierung und Einwirkungen von außen in Angst versetzt und der Schmerz zugefügt wurde, sondern auch in den Genen und Hirnarealen der Mäuse der nachfolgenden Generationen. Die Studie von Brian Dias und Kerry Ressler, welche an der Emory University School of Medicine in Atlanta, Georgia, U.S.A. durchgeführt wurde,  kann hier in allen Einzelheiten im Englischen Original nachgelesen werden:

http://www.nature.com/neuro/journal/v17/n1/full/nn.3594.html

In dem Experiment hatten die Forscher die Labor-Mäuse Kirschblüten-Duft riechen lassen und ihnen kurze Zeit darauf Elektroschocks verabreicht. Auf diese Weise wurden die Mäuse konditioniert den Geruch Kirschduft mit der Erfahrung von Schmerz zu verbinden. Dies hatte den Effekt, dass die Tiere Anzeichen von Furcht zeigten, sobald der Geruch wahrgenommen wurde. Nachdem die Phase der Konditionierung abgeschlossen war, zeugten die Tiere Nachkommen. Alle Tiere der Nachkommenschaft reagierten nervös und ängstlich, sobald sie Kirschduft ausgesetzt wurden, obwohl die Elektroschocks in diesem Fall ausblieben. In einem späteren Versuch, in dem die Muttertiere keinerlei Konditionierung erfahren hatten und künstlich mit dem Sperma der zuvor konditionierten Männchen befruchtet wurden, zeigte die Nachkommenschaft ebenfalls dieselben Verhaltensweisen: wenn sie Kirschduft zu riechen begannen, bekamen sie es mit der Angst zu tun. Auch hier wiesen das Genom und die entsprechenden Hirnareale die entsprechenden Veränderungen und Anomalien auf.

Das Genom einer Maus mit 731 Genen stimmt mit dem des menschlichen Erbguts bis auf 14 Gene überein. Die große genetische Ähnlichkeit zwischen Maus und Mensch zeigt nach Ansicht vieler Wissenschaftler, wie wertvoll der Nager für die humanmedizinische Forschung ist. Deshalb ist die Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse naheliegend.

 

Mann oder Maus?

Doch glücklicherweise sind wir ja Menschen und keine Mäuse und verfügen über die Möglichkeit der Selbstwahrnehmung. Auch können wir ganz bewusst Entscheidungen treffen, ob eine vererbte emotionale Reaktion uns, sofern sie uns bewusst wird, unter den heutigen Umständen unserer Lebensweise tatsächlich noch dienlich ist und die notwendigen Schritte unternehmen sie aufzulösen und abzulegen.

Wichtig ist mir an dieser Stelle das Bewusstsein dafür zu wecken, dass unsere unbewussten und unterbewussten emotionalen Prägungen bei der Generierung unserer persönlichen Erfahrungen ein enormer Stellenwert zukommt. Dies ist zumindest genau das, was ich tagtäglich in der individuellen Arbeit mit meinen Klienten und in systemischen Aufstellungen beobachte: Wir sind auf das Innigste mit den Erfahrungen unserer Ahnen und Mitmenschen verbunden und diese Verbundenheit und emotionalen Prägungen gehen weit über das hinaus, was wir in der Regel wahrzunehmen gewohnt sind. Was uns jedoch von der Tierwelt und dem rein instinktiven Verhalten klar unterscheidet, ist, dass wir bewusst reflektieren können, wie wir mit diesen Erkenntnissen verfahren wollen. Wir verfügen über einen freien Willen und können bewusst gestalterischen Einfluss nehmen auf unser Denken, Fühlen und Handeln, bis hin zur Deaktivierung bestimmter Bereiche des Genoms und der Veranlagung neuer synaptischer Verbindungen. Alles was wir zu tun brauchen, ist unsere Reaktion auf die äußeren Umstände zu verändern, indem wir bewusst neue innere, in erster Linie emotionale, Voraussetzungen und ein anderes sich mit der Welt „In-Beziehung-setzen“ schaffen.

Wenn wir nach den Ursachen, den emotionalen Auslösern in unserem reaktiven Verhalten suchen, insbesondere für das, welches zunächst unangemessen und irrational in Bezug auf die tatsächlichen Umstände erscheint, sollten wir dies immer auch mit einem Blick in die Richtung der Erfahrungen unserer Ahnen tun. Besonders wichtig ist dies, wenn anzunehmen ist, das außerordentliche Belastungen vorgelegen haben, welche unbehandelt blieben, wie Kriegstraumata, posttraumatische Belastungsstörungen und Angststörungen, in der Großeltern- und/ oder Elterngeneration.

 

Red peace symbol graffiti on grunge cement wall - peace concept

 

Hierin liegt eine der größten Chancen unserer Menschheitsgeschichte. Wir werden zunehmend wacher in Bezug auf das, was vor sich geht und können bewusst auf den Gang der Dinge, besonders in Bezug auf die Wiederherstellung, bzw. die Wahrung friedlicher Umstände nehmen. Wir können trotz der Umstände und kollektiver Ängste, die uns im Außen gespiegelt werden, entscheiden, wie wir uns verhalten, wie wir denken und wie wir empfinden möchten, in dem Wissen, das es sich um Chancen handelt, Erfahrungen vergangener Generationen abzustreifen und über sie hinauszuwachsen.

Jede Angst, die wir in uns zu wandeln vermögen, ist ein wertvoller Beitrag zu äußeren friedlichen Verhältnissen in der Welt. Indem wir verändern, wie wir uns in Bezug auf die äußeren Umstände fühlen, tragen wir außerdem dazu bei, neue Gewohnheiten im allgemeinen Bewusstsein zu veranlagen, zu verankern und Bewusstsein zu schaffen für konstruktive und effektive Umgangsweisen mit der Angst, die Frieden stiften, anstatt deren äußere Abbilder zu bekämpfen.

 

Peace come from within - famous Buddha quote printed on grunge vintage cardboard